Das Leben ist voller Episoden – lebendige, unbewusste, intime, distanzierte Momente. Manchmal sind wir ihrer bewusst, oft sind sie nicht wahrgenommen. Die Summe all dieser Episoden, wie wir sie miteinander verknüpfen und verweben macht unsere Erinnerung aus. Und manchmal machen sie unser Leben aus. Biografisches Schreiben weckt diese Erinnerungen.

Was ist biografisches Schreiben

Das Wort „Biografie“ hat seinen Ursprung in der griechischen Sprache. Es leitet sich von den griechischen Wörtern „bíos“ für „Leben“ und „-graphie“ für „Schrift“ ab. Es handelt sich also um die Beschreibung eines Lebens oder um das Schreiben/Beschreiben eines Lebens. Jeder, der über sein eigenes Leben schreibt, schreibt autobiografisch (autós = selbst).

Es gibt viele verschiedene Formen von (auto)biografischen Texten: Briefe, Tagebücher, Memoiren, (Auto-)Biografien, aber auch Romane und (auto)biografische Kurzgeschichten.

Der Sinn im Rückblick – warum biografisches Schreiben wertvoll ist

Jeder Lebensweg erzählt viele Geschichten, oft miteinander verwoben, manchmal versteckt hinter scheinbar belanglosen Erlebnissen. Doch was bleibt von all dem? Wenn das Erlebte nicht einfach vergangen ist, was ist es dann geworden?

Es gibt immer wieder Ereignisse, die uns besonders formen, weil sie uns besonders berühren. Berührung erzeugt Energie und wenn wir uns berühren lassen, dann pulsiert Leben. Das Schreiben über das Leben (das eigene oder fremde) befeuert diesen Puls und hält ihn im Takt. Das Schreiben lässt Erinnerungen aufleben, die schon längst vergessen geglaubt sind und nimmt Einfluss darauf, wie wir unser Inneres erkunden, erleben und erfühlen.

Der Prozess des Schreibens, wenn wir in die eigene Biografie eintauchen, ist schwer zu beschreiben. Das Schreiben ist ein mächtiges Instrument und nicht selten kann es auf den ersten Eindruck scheinen, als ob es verletzen würde.

Ich erlebe es immer wieder, wenn ich Menschen in Workshops auf den ersten Schritten des biografischen Schreibens begleite. Es dauert nicht lange und sie zeigen sich tief bewegt, wenn sich schon nach wenigen geschriebenen Sätzen der Schlüssel dreht und diese Berührung geschieht.

Das Schreiben macht es möglich, das Innere zu erkunden, den Freuden und auch den Leiden eine Gestalt zu geben, in dem wir Worte dafür finden. Es ist ein Prozess der tiefstgehendsten Reflexion und es hilft, den Verlauf des eigenen Lebensfadens zu folgen. In der Rückschau lassen sich oftmals Muster erkennen, Verbindungen knüpfen und neue Einsichten gewinnen.

Der Wert des biografischen Schreibens

Das biografische Schreiben ist ein Heilungsprozess. Es hilft, die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen und einen klaren Blick auf die Zukunft zu werfen. Diese Reflexion macht deutlich, wer wir sind und welche Ressourcen und Möglichkeiten uns zur Verfügung stehen. Auf diese Weise ist es möglich, das eigene Leben aktiver zu gestalten und die Fäden der Vergangenheit neu zu verweben.

Sich mit dem eigenen Leben auseinanderzusetzen, bedeutet, sich mit den eigenen Wünschen, Zielen und Motivationen zu beschäftigen.  Es ist eine Bestandsaufnahme und es ist ein Werkzeug. Erinnerungen können neu bewertet werden, Neues erschaffen werden, die eigene Geschichte gewürdigt werden.

Biografisches Schreiben bietet mögliche Antworten auf die Fragen: Wer und was hat mich geprägt? Was sind die Kraftquellen, die mir aus der Vergangenheit noch im Jetzt zur Verfügung stehen, was hat mich am meisten verändert und was ist heute anders als gestern?

Achtsamkeit beim biografischen Schreiben – Vorsicht vor Dämonen

Das Schreiben über das eigene Leben ist keine simple Aneinanderreihung von Ereignissen.  Es ist vielmehr ein kreativer Prozess, der Raum lässt für Reflexion und wenn nötig auch für Heilung. Der Blick auf schöne Momente gibt Hoffnung und Mut, während das Schreiben über bewältigte Herausforderungen das Gefühl der Selbstwirksamkeit stärkt.

Wollen Ängste oder Sorgen im Alltag bearbeitet werden, liefert das Schreiben neue Perspektiven und schafft mitunter heilsame Distanz. Gibt es Glaubenssätze, die hinderlich sind, kann es Sinn machen, sich auf die Suche nach den Ursprüngen in der eigenen Biografie zu machen.

Vorsicht ist geboten, wenn das Schreiben über das eigene Leben unbegleitet und ohne die nötige Selbstfürsorge und Achtsamkeit praktiziert wird. Schreiben berührt – manchmal berührt es Seiten in uns, die uns nicht (mehr) bewusst sind. Themen, die dann zutage treten hängen oft mit dem inneren Kind zusammen, möglichen traumatischen Erlebnissen in der Vergangenheit, dem Auftauchen vergessener Dämonen.

In diesem Kontext ist die „Ausflippregel“ von James Pennebaker zum expressiven Schreiben wichtig:

„Wenn Sie das Gefühl haben, dass das Schreiben über ein bestimmtes Thema Ihnen zuviel wird, lassen Sie es sein. Wenn Sie spüren, dass Sie (noch) nicht bereit sind, ein bestimmtes, schmerzhaftes Thema anzupacken, schreiben Sie über etwas anderes. Irgendwann werden Sie dazu bereit sein und dann können Sie es immer noch angehen. Wenn Sie das Gefühl haben, dass das Schreiben dazu führen könnte, dass Sie „ausflippen“, hören Sie damit auf.“

Das Missverständnis der „großen“ Biografie

Oft haben wir die Vorstellung, dass nur prominente oder besonders interessante Menschen ihre Biografie schreiben sollten. Doch das ist ein Trugschluss. Jeder Mensch macht einzigartige Erfahrungen, die es wert sind, erzählt zu werden. Es geht nicht darum, ob man ein „bewegtes Leben“ geführt hat, sondern darum, was uns bewegt hat – und das ist bei jedem Menschen individuell.

Erinnerungen und autobiografische Skizzen können helfen, die eigene Geschichte zu entdecken, selbst wenn man glaubt, sie sei nicht besonders erzählenswert. Jede Erfahrung zählt, ob groß oder klein, spektakulär oder alltäglich.

Biografisches Schreiben: Deine Geschichte zählt

Letztlich ist das Ziel des biografischen Schreibens nicht, eine perfekte Chronik zu schaffen oder ein literarisches Meisterwerk zu verfassen. Es geht darum, den Prozess des Schreibens zu genießen und sich selbst dabei besser kennenzulernen. Das Schreiben regt tiefe Selbstreflexion an, hilft, Erlebnisse zu verarbeiten und eröffnet neue Perspektiven auf das eigene Leben.

Indem wir unsere Geschichte erzählen, hinterlassen wir auch Spuren für zukünftige Generationen. Unsere Worte, Gedanken und Ideen können andere Menschen berühren, auch wenn wir das nie erfahren. Das Schreiben über das eigene Leben ist ein Weg, etwas von sich selbst weiterzugeben und damit auch nach dem eigenen Dasein einen Einfluss zu haben und Spuren zu hinterlassen.

Biografisches Schreiben ist ein Prozess, der jedem offensteht und jedem, der schreibt, hilft, sich selbst besser zu verstehen. Wenn du über dein Leben schreibst, verbindest du dich mit deinen Erinnerungen und eröffnest dir die Möglichkeit, dein Leben neu zu betrachten.

Jeder von uns hat eine einzigartige Geschichte zu erzählen – und nur du kannst deine Geschichte so erzählen, wie du sie erlebt hast.

Wenn du das willst, dann bist du in einem Workshop zum biografischen Schreiben gut aufgehoben

Herzlich, Sabine

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