„Ich kann nicht schreiben, ich bin nicht kreativ!“ Diesen Satz höre ich meistens, wenn ich Schreibneulingen von meinen SCHREIB:ZEITEN erzähle. „Da ist wohl der innere Kritiker oder die innere Kritikerin am Werk“, denke ich mir dann. Diese leise, aber oft sehr gemeine Stimme im Hintergrund, die dir einredet, dass deine Texte nicht gut genug sind, dass sie nicht einen Hauch von Brillanz haben, noch nicht einmal ein Quäntchen Interesse wecken.

Innere Kritiker – Teammitglieder, die zu dir gehören

Schulz von Thun (2004) erklärt in seinem Modell des „inneren Teams“ gut nachvollziehbar, dass in jedem von uns eine innere Pluralität herrscht. Jede*r kennt das: es ist eine Entscheidung zu treffen und Für und Wider abzuwägen. Es melden sich verschiedene „Stimmen“, manche sagen Ja, manche sagen Nein, wieder andere können sich nicht entscheiden (schon Goethe hat in Faust gedichtet „Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust…“). Manche sind laut und nicht zu überhören, andere sind leise und halten sich im Hintergrund oder verstecken sich. Manche „Teammitglieder“ bestehen schon lange, manche sind erst kurz dabei.

Eines dieser „Teammitglieder“ ist der innere Kritiker oder die innere Kritikerin. Nicht sehr beliebt, aber ziemlich sicher schon ein langjähriges Mitglied deines Teams, mit dem du schon sehr früh in deinem Leben Bekanntschaft gemacht hast.

Innere Kritiker – oftmals leise, aber fies

Du kennst das sicher: eigentlich möchtest du gern einmal etwas Neues probieren, aber noch bevor du dich so recht entschieden hast, meldet sich die (oftmals) leise, aber (immer) fiese Stimme in deinem Hinterkopf:

Das kannst du nicht. Das hast du noch nie geschafft. Dafür bist du zu klein, zu groß, zu dick, zu dünn, zu dumm, zu langsam, zu spät, zu zu zu zu…….. 

Manche der inneren Kritiker oder Kritikerinnen verfügen über ein besonderes Talent: sie verstecken sich hinter gutgemeinten Ratschlägen und gaukeln dir vor, dich beschützen zu wollen:

Lass es lieber bleiben, stell dir vor, wenn dich alle auslachen, ich will nicht, dass du dich blamierst, und und und ….

Wie mit unzählig vielen Nadelstichen pieksen sie bei jeder Gelegenheit in dein Fleisch, ohne Rücksicht auf deine Wünsche, deine Träume und deine Visionen.

Innere Kritiker und das kreative Schreiben

Du möchtest gerne mit dem Schreiben beginnen, einmal eine Schreib:Auszeit besuchen oder einen Schreib:Workshop. Du denkst, das kreative Schreiben könnte dir gefallen – heimlich hast du vielleicht früher Gedichte geschrieben? Diese hast du natürlich nie jemandem gezeigt, kaum jemand hat davon gewusst. Dein innerer Kritiker oder Kritikerin hat sich nämlich lustig gemacht über deine ersten Schreibversuche. Er oder sie hat nach Fehlern gesucht, war mit nichts zufrieden und meckerte ständig.

Auch deine Aufsätze in der Schule haben das „Thema verfehlt“ und waren „nicht genügend“ – also muss der kleine kritische Dämon in dir doch wohl recht haben, wenn er sagt: „Du kannst nicht schreiben, du bist nicht kreativ!“ Du kannst ihm oder ihr nichts recht machen – also lässt du es lieber gleich bleiben.

Wie schade, denn du kannst ihn oder sie in die Schranken weisen!

Bring die Stimme zum Schweigen, wenn sie dich gerade blockiert und setze deine innere Schreiberin oder deinen inneren Schreiber ins Rampenlicht! Richtig gelesen, du musst dich nicht von Kritikern verabschieden, es gibt Situationen, wo er oder sie sehr wohl nützlich sind, zum Beispiel wenn es ums Überarbeiten oder Korrekturlesen geht, da hat er oder sie den großen Auftritt.

Aber du allein entscheidest, wann du ihm oder ihr das Stichwort zum Auftritt gibst! Du entscheidest, wann du mit ihm oder ihr zusammenarbeitest!

Innere Schreiberinnen und Schreiber – Hauptrollen deiner Schreibgeschichte

Jürgen vom Scheidt (2003) beschreibt die Figur des inneren Schreibers – meistens eine relativ unbedeutende Persönlichkeit, die nur bei dringendem Bedarf in Schule und Beruf hervortreten darf, die jedoch mit jeder Schreiberfahrung immer mehr an Größe und Kontur gewinnt. Die Schreiberin oder der Schreiber entwickelt sich so zu einer kraftvollen Figur, die dir – wann immer du etwas schriftlich formulieren musst – zur Seite steht. Stell den Kontakt zu deiner inneren Schreiberin oder deinem inneren Schreiber her und verhilf ihr/ihm zu wirklicher Größe. 

Lerne dein Team kennen

Horche in dich hinein, wie klingt die kritische Stimme, die dich daran hindert, deiner Kreativität Raum zu geben? In welchen Situationen taucht sie auf? Wie spricht sie, welche Worte benutzt sie, in welcher Tonlage? Wann hast du ihn/sie das letzte Mal gehört? Wann das erste Mal?

Starte dann mit einer Liste. Dazu teilst du ein großes Blatt in zwei Spalten, links schreibst du Argumente des Kritikers oder der Kritikerin, warum du nicht schreiben kannst. Dann schreibst du in die rechte Spalte Argumente, mit denen du die kritischen Aussagen widerlegst. Manchen Aussagen stimmst du vielleicht zu, markiere diese mit einer Farbe und überlege, ob du sie so annehmen kannst oder nochmals überdenken musst. Du kannst anstatt einer Liste auch einen Dialog schreiben und deine Gegenargumente von einem „Verteidiger“ vorbringen lassen.

Um deine innere Schreiberin oder Schreiber kennenzulernen, hol in Gedanken Situationen und Begebenheiten hervor, in denen du ein gutes Gefühl beim Schreiben hattest. Wo war das? Welche Begriffe fallen dir spontan ein? Welche Eigenschaften verbindest du damit? Wenn du soweit bist, beginn mit einem Freewriting (7 Minuten) zum Impuls „Wenn das Schreiben wie von selbst geht, fühle ich….“. Schreibe ohne Unterlass, ohne den Stift abzusetzen, bleib immer im Schreibfluss. Wenn dir nichts einfällt, schreib „mir fällt nichts ein, mir fällt nichts ein,….“ oder male Spiralen auf das Blatt, es kommt von selbst ein neuer Gedanke, du wirst sehen.

Ziehe aus deinem Freewriting dann die wichtigsten Gedanken heraus, streiche sie an und beschreibe mit ihrer Hilfe das Aussehen deiner inneren Schreiberin oder Schreibers möglichst genau. Formuliere dann am Ende ein Wort, das deine Schreiberin/Schreiber am treffendsten benennt. So hast du einen Anker für dich gesetzt, mit dem du sie/ihn jederzeit rufen kannst, wenn es nötig ist. Wenn du magst, kannst du auch ein Bild deiner Figur zeichnen – auch wenn dein Kritiker meint, du kannst das nicht 😉

Ich wünsche dir ein spannendes Kennenlernen deiner inneren Schreiberin oder deines inneren Schreibers!

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